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«Atelier Zumthor» von 1986, Ostfront (© Ralph Feiner, Malans).
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«Atelier Zumthor» von 1986, Gartenfront (© Ralph Feiner, Malans).
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«Atelier Zumthor» von 1986, Blick vom Gartensaal nach aussen (© Ralph Feiner, Malans).
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Haus Dierauer (Palu 7), der erste freistehende Neubau von Peter Zumthor aus den Jahren 1975/76 (© Ralph Feiner, Malans).
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Haus Räth (Palu 18) aus den Jahren 1981–1983 (© Ralph Feiner, Malans).
«Süesswinggel» heisst das Quartier im historischen Kern von Haldenstein, das der heute weltberühmte Architekt Peter Zumthor (*1943) 1972 zu seiner Wohn- und Arbeitsstätte wählte. 1986 errichtete er hier jenen Bau, mit dem sein offizielles Oeuvre beginnt: das «Atelier Zumthor» (Süesswinggel 20). Es wurde zur Keimzelle eines kleinen Architekturcampus, der heute drei Gebäude umfasst (Nr. 28, 2005; Nr. 17, 2016); jedes auf seine spezifische Art ein Meisterstück zum Thema «neues Bauen in altem Bestand».
Das erste Atelier ist eine aus dem Ort heraus entwickelte Mischung aus Büro- und Gartenhaus mit unterirdischen Archivräumen, einem ebenerdigen Gartensaal und dem Zeichnungssaal im Obergeschoss – ein «Nebengebäude», wie die bäuerlichen Ökonomiebauten im Dorf, auf die es sich mit seiner hölzernen Materialisierung bezieht. Die der Ständerkonstruktion vorgehängte Fassade aus Lärchenholzstäben fasst den schlichten Baukörper zusammen und verfeinert ihn in der Art eines Möbels. Erscheinen drei Seiten des Bauwerks hermetisch geschlossen, öffnet sich die Südfront als Glaswand zu einem geometrisch geordneten, von japanischen Kirschbäumen bestandenen winzigen Park; eine den Fenstern vorgelagerte Holzkonstruktion für die Sonnenstoren thematisiert den Übergang von innen nach aussen als räumliche Schichtung.
In seiner formalen Askese, seiner handwerklichen Präzision, seiner sinnlichen Präsenz und der Selbstverständlichkeit, mit der es in die gewachsene Umgebung eingewoben ist, zeigte das Atelier einen Ausweg aus dem rustikalen «Alpenstil», der das Baugeschehen der Zeit dominierte. Das raffinierte objet trouvé aus Holz wurde zum Leitbau einer neuen, zeitgenössischen Bündner Architektur.
Zumthors erster «eigenständiger» Bau markiert das Ende von dessen langer Suche nach einem persönlichen architektonischen Ausdruck, die sich im «Süesswinggel» mit seiner einmaligen Dichte an Zumthor-Bauten exemplarisch nachvollziehen lässt (Süesswinggel 19 und 25, Palu 7 und 18).
Text Ludmila Seifert, Chur
Literatur P.Z., E.H., P.F.: Eine Anschauung der Dinge, in: Werk, Bauen + Wohnen, 10/1987, S. 34 – 43; informationen 1/88 (Sonderheft: Auszeichnung guter Bauten im Kanton Graubünden), hrsg. von der Bündner Vereinigung für Raumplanung, Chur 1988; Thomas Disch (Hrsg.): Peter Zumthor. Bauten und Projekte, 5 Bde., Zürich 2014, Bd. 1, S. 15–33.