02 — Punt da Nalps, Val Nalps

  • Blick von Südwesten (© Ralph Feiner, Malans).

  • Blick von unten, talauswärts (© Ralph Feiner, Malans).

  • Während des Baus im Sommer 1957. Das Lehrgerüst erstellte im Freivorbau der Gerüstbauer Richard Coray jun.(© SBZ, 76 (1958), Heft 24, S. 359).

  • Ausgerüstete Brücke im September 1957, noch ohne Geländer (© SBZ, 76 (1958), Heft 24, S. 359).

Bauaufgabe Brücke Adresse Via Nalps, 7188 Sedrun-Tujetsch Bauherrschaft Kraftwerke Vorderrhein AG Planer Emil Schubiger Bauzeit 1957

Die einspurige Strassenbrücke über den Nalpser Rhein, die an entlegenem Ort in einem Seitental südlich von Sedrun ein 50 m weites und 30 m tiefes Tobel überspannt, gehört zu den radikalsten Brücken Graubündens: ein vierbeiniges Sprengwerk mit zweiteiligen, gespreizten Streben aus sichtbar belassenem Beton. Hauptmerkmal des Entwurfs ist die klare Formensprache in extremer Reduktion.
Die vordergründig so einfache Konstruktion resultiert aus einer subtilen Gestaltung, die mit den Grenzen der Wahrnehmung spielt. Die Stärke der Fahrbahnplatte nimmt vom Widerlager zum Anschlusspunkt der Schrägstützen hin zu, um sich gegen die Mitte um wenige Zentimeter kaum merklich und doch spürbar wieder zu verjüngen; die Stirnflächen von Schrägstützen und Tragwerk liegen in einer Ebene, was den monolithischen Eindruck der Brücke «aus einem Guss» betont. In der Hochgebirgslandschaft setzt die elegante Kunstbaute mit ihrer präzis formulierten Geometrie einen selbstbewussten Kontrapunkt zur amorphen Natur.
Entstanden in Zusammenhang mit dem Bau der Vorderrhein-Kraftwerke, dient das prägnante Bauwerk der Zufahrt zur Staumauer in der Val Nalps. Meisterhaft führte der Zürcher Ingenieur Emil Schubiger (1903–1992) hier das Potential der noch jungen Spannbetontechnik vor. Sie ermöglichte die geringen Abmessungen der Konstruktionsteile, denen die Brücke ihre scheinbare Leichtigkeit verdankt. In einem Submissionswettbewerb hatte sich Schubiger mit seinem Vorschlag einer äusserst schlanken Sprengwerksbrücke gegen herkömmlichere Bogenlösungen durchgesetzt; seine Verbindung von höchster Wirtschaftlichkeit und formaler Eleganz überzeugte. Der Ingenieur sollte später den kompromisslosen Minimalismus des Baus mit einer zeitgemässen «neuen Brückenästhetik» rechtfertigen: «Der Schönheitsbegriff in der Baukunst ändert sich im Laufe der Zeit. Früher verpönte Attribute wie spröde, nackt, abstrakt entsprechen neuzeitlichem Geschmack.»

Text Ludmila Seifert, Chur
Literatur Landschaft und Kunstbauten. Ein persönliches Inventar von Jürg Conzett, Zürich 2012 (2., korr. Aufl.), S. 164/165; Jürg Conzett: Ästhetik der Reduktion, in: Terra Grischuna, 49, 1990, Nr. 6, S. 37–38; Emil Schubiger: Zwei vorgespannte Sprengwerkbrücken, in: Schweizerische Bauzeitung, 76 (1958), Heft 24, S. 355–359; Emil Schubiger: Vorgespannte Brücken und Landschaft, in: Das Werk, 1957, Bd. 44, S. 49–53.