06 — Ensemble Las Caglias, Flims

  • Das Mehrfamilienhaus «Casa Radulff» (1970–1972) ist an das Apartmenthaus «Las Caglias» (1959/60) angebaut und inwendig mit diesem verbunden. Die Säulenreihe markiert den Eingang zum «Café Las Caglias» als öffentlich zugänglichem Treffpunkt (© Ralph Feiner, Malans).

  • «Café Las Caglias» in der «Casa Radulff» mit Blick auf das ins Mehrfamilienhaus integrierte Schwimmbad (1970–1972) (© Ralph Feiner, Malans).

  • Apartmenthaus «Las Caglias» (1959/60) im Zentrum des Quartiers, Ansicht von Westen, historische Aufnahme (Das Werk, 52/1965, S. 135).

  • Haus Dr. Eugster (1961/62), Via Surpunt 8 (Nachlass Rudolf Olgiati, Archiv gta, ETH Zürich).

  • Haus Ekström (1956/57), Via Surpunt 14 (Nachlass Rudolf Olgiati, Archiv gta, ETH Zürich).

  • Häuser Coray (1958 – Via Las Caglias 9), Lüthi-Geiger (1959 – Via Las Caglias 7) und Domeniconi (1961 – Via Sut Baselgia 8) (Boga: Olgiati, 1983, S. 95).

Bauaufgabe Wohnbau/Ferienhaus Adresse Via las Caglias / Via Surpunt / Via Sut Baselgia, 7018 Flims Waldhaus Bauherrschaft Diverse Planer Rudolf Olgiati Bauzeit 1951–1974

Unter den Architekten, die in Graubünden während der Boomjahre der Nachkriegszeit markante bauliche Spuren hinterlassen haben, ist Rudolf Olgiati (1910–1995) fraglos der eigenwilligste. 1944 hatte er sich in Flims niedergelassen, um hier, fernab vom internationalen Puls, unbeirrt seine Vision einer vom «Gefühl des Sehens» geleiteten Architektur zu verfolgen. In der Auseinandersetzung mit Le Corbusier, dem griechischen Tempel und der regionalen Bautradition namentlich des Engadins fand er zu einer ganz singulären, von den gängigen Strömungen seiner Zeit quasi unabhängigen Ausdrucksweise. Olgiatis Ideal einer körperhaften, kubisch aufgefassten Architektur führte in seiner Umsetzung zu scharfkantig begrenzten Baukörpern mit glatt verputzten, weiss gestrichenen Mauerschalen, deren Kompaktheit durch die plastische Verformung und die in Grösse, Form und Anordnung variierenden Öffnungen unterstrichen wird. Um den Charakter des Körperhaften zu bewahren, sind die mit schweren Steinplatten bedeckten Dächer flach geneigt, treten nur wenig vor oder bleiben gar hinter den hochgezogenen Mauerkronen zurück. Korbbögen, Säulen sowie Fassaden- und Dachausschnitte verstärken die plastische Wirkung.

Im Gebiet «Prau Las Caglias» in Flims Waldhaus hatte Olgiati 1951 begonnen, ererbtes Wiesland mit freistehenden Häusern, meist Zweitwohnsitzen, zu überbauen; bis 1974 sollte dort ein eigentliches «Olgiati-Quartier» mit 17 individuell gestalteten Gebäuden entstehen. Das einmalige Ensemble demonstriert auf überschaubarem Raum Olgiatis schöpferische Praxis mit dem eigenen Regelwerk, das er unter dem Begriff «optische Sachlichkeit» subsumierte. Die malerisch ins unruhig geformte Hügelgelände eingepassten Bauwerke zeugen von seiner Meisterschaft im Umgang mit dem spezifischen Ort. Hauptwerk der kleinen Siedlung ist das prominent auf einer felsigen Erhebung situierte Apartmenthaus «Las Caglias», ein Bau von 1959/60, der zum ersten Mal praktisch den vollständigen Kanon der Elemente zeigt, die Olgiati bis zu seinem Tod in immer neuen Variationen angewendet hat.

Text Ludmila Seifert, Chur
Literatur Carmelia Maissen: Einschiffen nach Kythera. Das Ensemble Las Caglias von Rudolf Olgiati in Flims, in: Bündner Monatsblatt 3/2016, S. 352–371; Martin Tschanz: Regionalismus als Utopie. Zum Werk von Rudolf Olgiati, in: Vittorio Magnagno Lampugnani (Hrsg.): Die Architektur, die Tradition und der Ort, Stuttgart, München 2000, S. 417–443; Leza Dosch: Olgiati, Rudolf, in: Isabelle Rucki und Dorothee Huber (Hrsg.): Architektenlexikon der Schweiz. 19./20. Jahrhundert. Basel 1998, S. 405/406; Ursula Riederer: Rudolf Olgiati. Bauen mit den Sinnen, Chur 2004; Thomas Boga (Hrsg.): Die Architektur von Rudolf Olgiati. Zürich 1983 (3., erw. Aufl.).