08 — Heiligkreuzkirche, Chur

  • Der komplex strukturierte Innenraum der Kirche ist eine effektvoll lichtmodellierte Raumplastik (© Ralph Feiner, Malans).

  • Der dominante Turmkreuzkörper macht die abstrakte Architekturplastik als Kirche erkennbar (© Ralph Feiner, Malans).

  • Ansicht von Nordosten (© Ralph Feiner, Malans).

  • Vor der Überbauung der näheren Umgebung kam die bewegte Silhouette des Pfarreizentrums noch stärker zur Geltung (werk 12/1971, S. 812).

  • In Bezug auf den Innenraum der Churer Heiligkreuzkirche sprach Förderer selbst von einer «inszenierten Sakralität» (werk 12/1971, S. 813).

Bauaufgabe Sakralbau Adresse Masanserstrasse 161, 7000 Chur Bauherrschaft Katholische Kirchgemeinde Chur Planer Walter Maria Förderer Bauzeit 1967–1969

Zum Zeitpunkt ihrer Errichtung stand die Churer Heiligkreuzkirche isoliert am Rande des städtischen Erweiterungsgebietes, weitläufig von Feldern und Wiesen umgeben. Die exponierte Lage verstärkte den Eindruck eines über das Terrain sich erhebenden Gesteins. «Bei der ersten Besichtigung» des Bauplatzes, erinnerte sich der Architekt, «überkam mich die Vorstellung, dass die neue Kirche wie eine von der nahen hohen Bergwand heruntergebrochene und hier aufgetürmte Felsmasse wirken sollte». Die Ästhetik des Sichtbetons trägt wesentlich zur gewünschten Assoziation bei, ebenso die monolithische Schwere der Baumasse und deren expressiv-bewegte Formung. Die verschachtelte Volumetrik und überbordende Plastizität sind Kennzeichen der sehr persönlichen Architekturhandschrift von Walter Maria Förderer (1928–2006). Über die Bildhauerei hatte er zur Architektur gefunden und zuerst mit Schulhausbauten für Furore gesorgt, bevor er sich auf den Sakralbau zu konzentrieren begann. Von 1967 bis 1971 errichtete Förderer an verschiedenen Orten in der Schweiz insgesamt sieben katholische Kirchen; alles monumentale Bauwerke, bei denen er sich auf eine Gratwanderung zwischen Architektur und Skulptur begab. Kein anderer Schweizer Architekt seiner Generation ging virtuoser mit dem Werkstoff Beton um, der in der Nachkriegszeit zum wichtigsten Baumaterial avancierte.

Die als Pfarreizentrum konzipierte Heiligkreuzkirche in Chur realisierte Förderer – wie alle seine Sakralbauten – in der Nachfolge eines Wettbewerbs. Die Kirche ist mit den anderen Körpern des multifunktionalen Komplexes gestalterisch zu einer Einheit zusammengefügt. Die vielfältigen Raumabfolgen vermitteln Grunderlebnisse von dunkel und hell, niedrig und hoch, eng und weit, leicht und schwer. Kulminationspunkt der begehbaren Plastik ist der stützenlos überdeckte, höhlenähnliche Kirchenraum, der schichten- und stufenweise emporsteigt; die indirekte Belichtung trägt zu seiner mystischen-sakralen Atmosphäre bei, welche die Bedeutung des Raums als Ort der inneren Einkehr unterstreicht.

Text Ludmila Seifert, Chur
Literatur Michael Hanak: Skulpturale Nachkriegsmoderne in Chur, in: Bündner Monatsblatt, 1/2013, S. 65–98; Fabrizio Brentini: Bauen für die Kirche. Katholischer Kirchenbau des 20. Jahrhunderts in der Schweiz, Luzern 1994, S. 162–178; Luzi [Leza] Dosch: Die Heiligkreuzkirche in Chur (Schweizerische Kunstführer, hrsg. von der GSK), Bern 1989; Max Bächer: Walter M. Förderer, Architektur – Skulptur, Neuchâtel 1975; Einweihung der Heiligkreuzkirche in Chur, in: Bündner Tagblatt, 31. Mai 1969, Beilage (darin Bericht des Architekten); Walter M. Förderer: Kirchenbau von heute für morgen? Fragen heutiger Architektur und Kunst, Zürich 1964.