10 — Stazioni di rifornimento, Castasegna

  • Blick talabwärts Richtung italienischer Grenze (© Ralph Feiner, Malans).

  • Blick talaufwärts (© Ralph Feiner, Malans).

  • Der Kiosk in seiner urspünglichen Funktion kurz nach dem Bau (© Alberto Flammer, Locarno, in: Architektenlexikon der Schweiz, Basel […], 1998, S. 93).

  • Gesamtanlage im Originalzustand (© Fondazione Archivi Architetti Ticinesi, Fondo Peppo Brivio).

  • Blick von oben, Aufnahme kurz nach der Eröffnung der Tankstelle (© Fondazione Archivi Architetti Ticinesi, Fondo Peppo Brivio).

  • Blick Richtung Italien, Aufnahme kurz nach der Eröffnung (© Fondazione Archivi Architetti Ticinesi, Fondo Peppo Brivio).

Bauaufgabe Tankstelle Adresse Strada Cantonale 42, Farzett, 7608 Castasegna Bauherrschaft City Carburoil SA Planer Peppo Brivio Bauzeit 1962/63

Zur Zeit, als die Massenmobilisierung durch das Auto zum Druchbruch gelangte, entstand an der Kantonsstrasse zwischen Bondo und Castasegna die bis heute extravaganteste Tankstelle Graubündens. Im Auftrag einer Tessiner Ölgesellschaft wurde sie vom Luganeser Peppo Brivio (1923–2016) entworfen, einem jener Architekten, die in den 1950er-Jahren die moderne Architektur ins Tessin gebracht hatten. Die verspielt-eleganten «Betonpilze», die Brivio im Bergell errichtete, lassen jene Experimentierfreude erkennen, welche die internationale Tankstellenarchitektur der 1950er und -60er Jahre in ihren besten Beispielen auszeichnet. Der gestalterische Fokus lag stets auf den Schutzdächern, welche die Zapfsäulen überspannen, und die sich mit der modernen Technik des Stahlbetons zu immer gewagteren Formen und Dimensionen steigern liessen. Brivios Konstruktion ist ein Flächentragwerk in Form einer kegelförmig gekrümmten, nach aussen sich verjüngenden dünnen Schale von beinahe 11m Durchmesser, die, einem Kreisel gleich, mit der Spitze nach unten auf einem schlanken Zylinder «balancierend» der Schwerkraft zu trotzen scheint. Die prägnante Trichterform mag man als eine Referenz an den Ort interpretieren, nimmt sie doch mit ihren schrägen Linien die Neigung der Talflanken auf. Doch lag dem Entwurf wohl eher der Wunsch nach einer radikalen Beschränkung auf nur zwei geometrische Körper zugrunde. Die formale Reinheit, die durch die unverhüllte Nacktheit des Betons zusätzlich betont wird, verlieh dem Bauwerk jene signalhafte Wirkung, die angesichts der beengten Verhältnisse des Bauplatzes für eine Anlage mit kommerzieller Nutzung angezeigt war. Wieviel Wert der Architekt auf die Wahrnehmung der Form legte, zeigt sich bei den Kiosken, wo er zu einer (partiellen) Ummantelung der monumentalen Pilzsäule gezwungen war: Mit dem Einsatz grosser Glasflächen schuf er jene Transparenz, die es ermöglicht, die Gestalt des in den Innenraum greifenden Daches auch von aussen erlebbar zu machen.

Text Ludmila Seifert, Chur
Literatur Robert Obrist, Silva Semadeni, Diego Giovanoli: Construir=Bauen=Costruire. Val Müstair, Engiadina bassa, Oberengadin, Val Bregaglia, Valle di Poschiavo 1830–1980, Samedan 1986, S. 237; Ludmila Seifert-Uherkovich: Architekturrundgang Bergell, hrsg. vom Bündner Heimatschutz, Chur 2012, Nr. 23.