13 — Rheinbrücke, Tamins–Domat/Ems

  • An landschaftlich empfindlicher Stelle setzt der «Menn-Bogen» trotz seiner immensen Grösse einen ästhetischen Akzent (© Ralph Feiner, Malans).

  • Die Spannweiten der Aufständerung zwischen 12 und 15 Metern ergeben ein ausgewogenes Tragwerk und unterstützen die elegante Geste des Flussüberschlags (© Ralph Feiner, Malans).

  • Blick vom östlichen Widerlager Richtung Tamins. Der polygonal gebrochene Bogen entspricht genau der Stützlinie (© Ralph Feiner, Malans).

  • Der 100 Meter weit gespannte Bogen wurde mit einem Lehrgerüst erstellt (in: Christian Menn. Brückenbauer, Basel 1997, S. 62).

  • Luftaufnahme vom 12. Juni 1964; die Brücke steht, die Zufahrtstrassen sind noch nicht erstellt (© ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Comet Photo AG).

  • Der «Menn-Bogen» bei Tamins (hier noch mit Lehrgerüst) ist Teil der Reichenauer Brückenlandschaft; Luftbild 1963 (© ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Comet Photo AG).

     

Bauaufgabe Brücke Adresse Kantonsstrasse H19, 7015 Tamins und 7013 Domat/Ems Bauherrschaft Kanton Graubünden Planer Christian Menn Bauzeit 1962/63

Christian Menn (1927–2018) gehört zu den wenigen Schweizer Brückenbauern von internationalem Rang. Sein Werk steht synonym für die Vereinigung von technischem Können mit gestalterischer Kompetenz. Als Dreissigjähriger hatte er in Chur sein eigenes Ingenieurbüro eröffnet – der anstehende Ausbau der Strassen schien ein sicheres Einkommen zu garantieren. Bis zum Antritt seiner ETH-Professur 1971 sollte er rund 100 Betonbrücken projektieren, die meisten davon in Graubünden selbst. Einen besonderen Stellenwert in diesem beeindruckenden Oeuvre nehmen die 13 weit gespannten Bogenbrücken ein, die Menn in seinem Heimatkanton realisierte.

Was im Avers mit der Interpretation von Robert Maillarts (1872-1940) Dreigelenk-Hohlkasten und versteiftem Stabbogen begann, wurde weiterentwickelt zu einem statisch optimierten System: der versteiften Bogenbrücke mit teilweise vorgespannter Fahrbahnplatte. Erstes Beispiel dieses technisch durchdachten und ästhetisch attraktiven Brückentyps war die 158 m lange Brücke bei Tamins, die den vereinten Rhein an landschaftlich sensibler Stelle mit einer Bogenspannweite von 100 m überquert. Das hier benutzte Entwurfsprinzip sollte Menn entlang der A13 zwischen Chur und Bellinzona mehrfach zur Anwendung bringen. Es beinhaltet einen polygonalen, der Drucklinie folgenden filigranen Bogen sowie einen stark aufgelösten Überbau mit einem niedrigen, weil teilweise vorgespannten Kastenträger, der auf weit auseinander stehenden dünnen Scheiben lagert und statisch mit dem Bogen ein monolithisches Tragwerk bildet. Die Ökonomie der Mittel und der Form frappiert und lässt einen rätseln, wie eine solch sparsame Brücke überhaupt zu stehen vermag. Bogen, Stützen und Fahrbahnträger sind gleichermassen schlank und wirken als harmonisches Ganzes. Die Leichtigkeit und Transparenz des Bauwerks dient der diskreten Einpassung in die Topografie. Im Zusammenspiel mit der Ruhe des aufgestauten Flusses vermittelt der «Menn-Bogen» bei Tamins einen Eindruck von geradezu vollkommener Eleganz.

Text Ludmila Seifert, Chur
Literatur Eugen Brühwiler: Christian Menn (1927–2018). Bauingenieur aus Leidenschaft, in: TEC21, 2019/Nr. 22–23, S. 20–25; Caspar Schärer, Christian Menn (Hrsg.): Christian Menn. Brücken, Zürich 2015, S. 82–93; Christian Menn. Brückenbauer, hrsg. von Thomas Vogel und Peter Marti (Schriftenreihe der Gesellschaft für Ingenieurbaukunst, Bd. 3), Basel […] 1997.