16 — Haus Vogelbacher, Stampa

  • Das Haus Vogelbacher-Stampa steht leicht abgerückt von der historischen Dorfzeile im Eck eines alten eingefriedeten Pflanzgartens (© Ralph Feiner, Malans).

  • «A mountain house should always be a minimal act with maximum safety. It must condense the site characteristics into a man-made mold. It is not a mirror, but an echo» (Pierre Zoelly) (© Ralph Feiner, Malans).

  • Die bunt lackierten Metallläden geben dem strengen Äusseren einen verspielten Touch. Die knalligen Farben stammen aus der Fiat-Collection von 1977 (© Ralph Feiner, Malans).

  • Die sichtbar belassene Rohbauskulptur in der Mitte des Baus integriert den Ofen und ein Cheminée und fungiert so auch als «warmer Kern»(© Ralph Feiner, Malans).

  • «Dach», «Berg» und «Baum» hat Pierre Zoelly als seine Archetypen bezeichnet. Im skulpturalen Kern des Hauses zeigt sich die Idee des Baumes als architektonisches Grundmotiv besonders gut (in: Pierre Zoelly: Elemente einer Architektursprache. Einführung von Mario Botta. Basel, Boston, Berlin 1998, S. 15).

Bauaufgabe Ferienhaus Adresse Gassa Ciàsa Granda 6, 7605 Stampa Bauherrschaft Privat Planer Pierre Zoelly Bauzeit 1978

Pierre Zoellys (1923–2003) bekanntestes Werk ist das in den Berg gebaute Uhrenmuseum in La Chaux-de-Fonds (1974): ein radikaler Sichtbetonbau und herausragendes Beispiel einer unterirdischen Architektur, für die Zoelly den Begriff «Terratektur» prägte. Der grösste Teil seines vielfältigen und eigenwilligen Werks allerdings gehört in die Kategorie Wohnbau. Einen besonderen Stellenwert nehmen dabei seine «Berghäuser» ein. 1960 war der Architekt nach zehn Jahren in den USA in die Schweiz zurückgekehrt, «to rediscover the Alps and their challenge to an architect», wie er später konstatierte. Am Anfang seiner Beschäftigung mit dem Bauen im alpinen Raum steht ein 1963 erbautes Haus in der Val Fex. Davon ausgehend hat er in Graubünden ein kleines Oeuvre geschaffen, dass sich durch die zeitgenössische Umsetzung traditioneller Bauformen auszeichnet; es macht ihn, den Verfechter einer undogmatischen Moderne, zu einem wichtigen Vertreter der ortsbezogenen Architektur.

Beim Haus Vogelbacher am östlichen Dorfrand von Stampa probte Zoelly die Synthese der beiden wichtigsten historischen Baugattungen im Tal: der – im Bergell meist als Eckpfeilerbau ausgebildeten – Stallscheune und dem Wohnhaus. Auf erstere verweisen die dem Dorf zugewandte Eingangsfront mit dem aufgebrochenen Mittelteil, der statt der üblichen Füllung mit Rundhölzern eine grosszügige Verglasung zeigt, sowie das auskragende, in regionstypischer Weise mit Natursteinplatten gedeckte Giebeldach. Das Wohnhaus repräsentieren die mural geschlossenen übrigen Fassaden mit den unregelmässig verteilten Trichterfenstern und der bergseitige Walm. Das in herkömmlicher Art Geborgenheit und Schutz vermittelnde Haus ist eine im Kontext der tradierten Bauweise ganz ungewohnte Konstruktion: Im Zentrum steht eine Rohbauskulptur aus Beton als Fundament und statischer Kern; sie bildet den physischen Halt für einen gerasterten Holzrahmenbau in quadratischer Form, der innen mit Spanplatten ausgefacht und aussen mit einer verputzten Schicht aus künstlichen Bausteinen ummantelt ist.

Text Ludmila Seifert, Chur
Literatur Adolf Max Vogt : Pierre Zoelly, 1923–2003. Ein Architekt mit eigenem Leitbild [Nachruf], in: werk, bauen + wohnen 3/2004, S. 56/57; Pierre Zoelly: Footholds in the Alps. Architectural Notes, Basel, Boston, Berlin 1992, S. 58–73 ; Pierre Zoelly: Elemente einer Architektursprache, Basel 1998, S. 8; Robert Obrist, Silva Semadeni, Diego Giovanoli: Construir=Bauen=Costruire. Val Müstair, Engiadina bassa, Oberengadin, Val Bregaglia, Valle di Poschiavo 1830–1980, Samedan 1986, S. 229.