22 — Höhere Technische Lehranstalt HTL, Chur

  • Blick von Osten. Durch die Geometrie dreier differenzierter Baukörper wird das Schulgebäude in ein Verhältnis zu den heterogenen Aussenräumen der Umgebung gebracht (© Ralph Feiner, Malans).

  • Die einzelnen Volumen sind einheitlich in ein Schuppenkleid aus Kupferplatten gehüllt; Blick auf den nördlichen Längstrakt (© Ralph Feiner, Malans).

  • Die zenitale Lichtführung der zentralen Halle erfolgt über einen kassettenförmigen Trägerrost aus Sichtbeton, der gleichzeitig die Aufhängung eines verschiebbaren Wandsystems bildet (© Christian Kerez, Zürich).

  • Keine beliebig hingestellte Kiste, sondern bewusst komponierte Architektur (© Christian Kerez, in: Werk, Bauen + Wohnen, 80/1993, Heft 12, S. 49).

  • Der südliche Längstrakt nimmt die Cafeteria, die Verwaltung und – in den oberen Geschossen – eine Vielzahl von Unterrichtsräumen auf. Die Zimmer profitieren von der Aussicht auf den von hohen Eschen gesäumten «Churer Mühlbach» (© Christian Kerez, in: Werk, Bauen + Wohnen, 80/1993, Heft 12, S. 50).

Bauaufgabe Schulhaus Adresse Pulvermühlestrasse 57, 7000 Chur Bauherrschaft Verein Ingenieurschule HTL Planer Jüngling und Hagmann Bauzeit 1991–1993

Kaum hatten sie nach einer Anstellung im Atelier Zumthor ihr eigenes Büro gegründet, konnten die Architekten Dieter Jüngling (*1957) und Andreas Hagmann (*1959) ihren ersten Wettbewerbserfolg feiern – und in dessen Folge auch gleich einen kapitalen Bau errichten: die Ingenieurschule in Chur, die heute Fachhochschule Graubünden heisst. Das Haus gab einer seit 1963 bestehenden Institution eine Adresse, die sich zuvor auf diverse Örtlichkeiten verteilt hatte und daher physisch kaum in Erscheinung getreten war. Es wurde zu einem Vorzeigeobjekt der viel beachteten «neuen Bündner Architektur», deren Charakteristik man mit Begriffen wie «Askese», «Funktionalität der Sinnlichkeit» oder «Materialsensibilität» zu fassen suchte.

Das Grundstück der Schule liegt an der südwestlichen Umfahrung von Chur, dort, wo die Stadt ausfranst in breite Strassen, Gewerbebetriebe, Einkaufszentren und Autobahnanschlüsse. Im städtebaulichen Chaos der in Wildwest-Manier überbauten Umgebung setzt die bewusst komponierte Architektur einen starken Akzent. Aufgrund seiner formalen und materiellen Reduktion wirkt der Bau einfach und ruhig. Gerade dadurch aber macht er auf sich aufmerksam – wie es sich für ein öffentliches Gebäude gehört. Das Schulhaus ist aus drei differenzierten Kuben zu einer skulpturalen Einheit zusammengefügt. Rohe, industriell vorgestanzte Kupfertafeln sind in der Art eines Schuppenpanzers flächendeckend über den vieleckigen Baukörper gezogen. Das inzwischen dunkel patinierte Fassadenkleid verleiht dem Bau einen geheimnisvoll-gediegenen Touch – und den Eindruck hermetischer Abgeschlossenheit. Der Ort der Öffentlichkeit und Begegnung ist ins Innere verlegt, in die zentrale Halle, die zwischen die beiden lang gezogenen Unterrichtstrakte eingeschoben ist. Der stützenlose Raum von 800 m2 lässt sich durch ein raffiniertes System aus Hängewänden bis zum Vortragssaal verkleinern. Durch die Oberlichtbänder über dem geschosshohen Trägerrost aus Sichtbeton, der die riesige Halle überspannt, fällt diffuses Licht, das eine konzentrierte Raumstimmung erzeugt.

Text Ludmila Seifert, Chur
Literatur Bauen in Graubünden. Ein Führer zur Gegenwartsarchitektur, hrsg. vom Verlag Hochparterre, Zürich 1996, S. 34/35 und 2006 (3., erw. Aufl.), S. 28/29; Auszeichnung guter Bauten im Kanton Graubünden 1994 (informationen 1/95, Sonderheft), hrsg. von der Bündner Vereinigung für Raumplanung und dem Bündner Heimatschutz, Chur 1995; Jürg Graser: Eine Institution im Rheinquartier, in: Faces 34/35, 1995, S. VI/VII; Lutz Windhöfel: Im Zentrum: eine riesige Halle, in: Hochparterre 6/1993, Heft 12, S. 28/29; D.J., A.H., Red.: Heterogene Einheit, in: Werk, Bauen + Wohnen, 80 (1993), Heft 12, S. 49–53.