23 — Centrale di energia elettrica industriale, Lostallo

  • Architektur und Volumetrie der Zentrale zeichnen sich durch eine einfache, klare und prägnante Gestaltung aus (© Ralph Feiner, Malans).

  • Die Tragkonstruktion des Gebäudes, ein Betonrahmengerüst, ist offen sichtbar (© Ralph Feiner, Malans).

Bauaufgabe Kraftwerk Adresse Rúra 2, 6558 Lostallo Bauherrschaft Elettricità Industriale SA Planer Carlo Basilico Bauzeit 1956–1958

Das Kraftwerk Lostallo gehört zu den kleineren Anlagen, die während des Grossausbaus der Wasserkräfte in Graubünden errichtet wurden. Es produzierte Strom für die Silicium-Fabrik in San Vittore, einer Zweigniederlassung der Monteforno SA, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der Leventina bei Bodio ein gewaltiges Stahlwerk aufzubauen begann. Hausarchitekt der Monteforno war der Tessiner Carlo Basilico (1895–1966), ein erfolgreicher Dekorationsunternehmer, Publizist und ambitionierter Kunstmaler aus Chiasso, dem die Bekanntschaft mit dem Industriellen Luigi Giussani eine späte Karriere als Entwerfer von Hochbauten bescherte. Die von ihm konzipierte (und vom Ingenieur Giovanni Lombardi ausgeführte) Zentrale Lostallo, Basilicos bedeutendster architektonischer Entwurf, gehört zu den herausragenden Beispielen der progressiven Fünfzigerjahre-Architektur in Graubünden. Frei von jeglichen regionalen Bezügen, ist sie ganz dem Gedankengut der Moderne verpflichtet.

Die Zentrale steht isoliert zwischen Lostallo und Cabbiolo, auf der gegenüberliegenden Talseite, dicht an den Fuss des bewaldeten Berghangs gedrängt. Alle Räume des Komplexes sind in einem einzigen, 44 Meter langen Baukörper komprimiert. Von weithin sichtbar thront der langgestreckte Kubus auf einer künstlich aufgeschütteten Terrasse wie auf einem Podest: ein Schaustück aus farbig gefasstem Beton und Glas als eine Art moderner Schrein, das dem technischen Fortschritt ein Denkmal setzt. Auf frontale Wirkung angelegt, wendet sich der Bau – eine feingliedrige Betonrahmenkonstruktion – mit einer grosszügig verglasten Rasterfassade der Talebene zu. Die feierliche Klassizität und abstrakte Eleganz der Architektur unterstreichen den repräsentativen Anspruch des Industriegebäudes. Mit den dünnen Wandscheiben und der aufgelösten Fassade wirkt das grosse Bauvolumen fast schwerelos leicht. Zu diesem Eindruck trägt auch das weit auskragende Flachdach bei, das durch einen dunkel gestrichenen Wandrücksprung von den Aussenmauern abgehoben ist und so über dem Gebäude zu schweben scheint.

Text Ludmila Seifert, Chur
Literatur Conradin Clavuot, Jürg Ragettli: Die Kraftwerkbauten im Kanton Graubünden. Chur 1991, S. 156–161; Nicoletta Ossanna (Hrsg.): Carlo Basilico 1895–1966. Pittore, progettista e designer. Ausstellungskatalog Cinema Teatro, Chiasso, 1998, S. 70, tav. 60, scheda 488.