24 — Kirchner Museum, Davos Platz

  • Die Architekten haben darauf verzichtet, für das Kirchner Museum eine dem Expressionismus nachempfundene Sprache zu entwickeln; ihr Bau ist von eleganter Askese geprägt (© Ralph Feiner, Malans).

  • Die Säle vermitteln das Gefühl ungestörter Konzentration auf die ausgestellten Werke (© Ralph Feiner, Malans).

  • Im Erschliessungsraum ist Beton das bestimmende Material. Mit seinen glatt geschalten Böden, Wänden und Decken erinnert der Flur an eine Skulptur der minimal art (© Heinrich Helfenstein, in: Werk, Bauen + Wohnen 1992/Heft 12).

  • Mit seinen luziden Glaskörpern ist die Anlage  gewissermassen eine Abstraktion der flach gedeckten Baukuben von Davos. In diesem Sinne ist das Kirchner Museum ein Bau, der sich mit besonderer Noblesse in die Baukultur des Ortes integriert (© Heinrich Helfenstein, in: Werk, Bauen + Wohnen 1992/Heft 12).

  • Ansicht von Nordosten (© Heinrich Helfenstein, in: Werk, Bauen + Wohnen 1992/Heft 12).

  • Ansicht von Süden (© Heinrich Helfenstein, in: Werk, Bauen + Wohnen 1992/Heft 12).

Bauaufgabe Museum Adresse Promenade 82, 7270 Davos Platz Bauherrschaft Ernst Ludwig Kirchner Stiftung, Davos Planer Gigon Guyer Architekten Bauzeit 1991/1992

Gegenüber dem imposanten Grand Hotel «Belvédère» positioniert sich das Kirchner Museum an der Promenade von Davos als selbstbewusster Solitär; vornehm ruhig entfaltet es am Rande eines kleinen, baumbestandenen Parks majestätische Präsenz. Das Haus ist dem Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938) gewidmet, der in Davos die letzten 20 Jahre seines Lebens verbrachte. Ausgehend von einem geladenen Wettbewerb ist den jungen Zürcher Architekten Annette Gigon (*1959) und Mike Guyer (*1958) mit ihrem ersten grossen Projekt ein international rezipiertes Werk gelungen: Das Kirchner Museum gilt als wegweisend für eine neue Auffassung in der Museumsarchitektur, die frei von pompösem Pathos architektonische Eigenwertigkeit und Dienst an der Kunst zu verbinden sucht.

Vier unregelmässig zueinander versetzte Ausstellungssäle bilden die Kernstücke des Baus, die als Referenzpunkt den klassischen Oberlichtsaal erkennen lassen. Es sind einfache, freundlich gestimmte Rechteckräume mit weisslich gestrichenen Wänden, Eichenparkett und gläsernen Decken, äusserst zurückhaltend gestaltet, um die Exponate nicht zu konkurrenzieren. Die streng voneinander separierten Kuben werden durch eine Zwischenzone aus Sichtbeton zum räumlichen Ganzen des Museums vereint – eine Wandelhalle von komplexer Gestalt, die einen eigenständigen Charakter aufweist und als Ort des neutralisierenden Spaziergangs zwischen den von der Kunst definierten Raumstimmungen fungiert. Im Kontrast zu den introvertierten Galerien gibt der verzweigte Flur durch breite Fensterfronten den Blick in die alpine Landschaft frei.

Nach aussen hin treten die Kunstpavillons als gleich hohe Kisten auf, welche die Erschliessungszone um das Doppelte überragen. Glas ist hier das bestimmende Material: Klarglas im Bereich der Verkehrsflächen, geschreddertes Altglas auf dem Dach. Rund um die Kunstsäle wiederum geätztes Isolierglas; im gemauerten unteren Bereich umhüllt es die Wärmedämmung, oben lässt es das Tageslicht in die Dachlaterne fallen, das durch die Mattgläser der Staubdecke hindurch die Ausstellungsräume natürlich erhellt.

Text Ludmila Seifert, Chur
Literatur Gigon Guyer Architekten. Arbeiten 1989 bis 2000, hrsg. von J. Christoph Bürkle, Sulgen/Zürich 2000, S. 10–13; Anna Meseure, Martin Tschanz, Wilfrid Wang (Hg.): Architektur im 20. Jahrhundert: Schweiz, München […] 1998, S. 280/281; Auszeichnung guter Bauten im Kanton Graubünden 1994 (informationen 1/95, Sonderheft), hrsg. von der Bündner Vereinigung für Raumplanung und dem Bündner Heimatschutz, Chur 1995; Benedikt Loderer: Der Schrein von Davos, in: Hochparterre 5/1992, Heft 12, S. 14/15; Walter Zschokke: Kirchner-Museum, Davos, 1992, in: Werk, Bauen + Wohnen 1992/Heft 12, S. 24–29; Luzi [Leza] Dosch: Das Kirchner Museum in Davos, in: Bündner Monatsblatt 6/1992, S. 505–509.