29 — Konvikt, Chur

  • Im steilen Gelände unterhalb der Strasse nach Arosa erhebt sich das in drei Trakte gestaffelte Gebäude. Die kubische Verschachtelung der verschiedenen Gebäudeteile vereint sich in einer zusammenhängenden, monolithischen Bauskulptur (© Ralph Feiner, Malans).

  • Die bis zu viergeschossigen Trakte türmen sich zu einer abgetreppten Baumasse mit insgesamt neun Niveaus. Die Gemeinschaftsräume sind durch grosszügige, von schlanken Sichtbetonstützen rhythmisierte Öffnungen von aussen ablesbar (Aufnahme 1973; © ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Josef Schmid).

  • Der besondere architektonische Ausdruck des Konvikts beruht einerseits auf der freien Komposition der Baumassen … (© ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Josef Schmid).

  • … andererseits auf dem differenzierten Umgang mit dem Sichtbeton. Die Fassaden sind durch das Spiel zwischen schalungsrohen, gestockten und gewaschenen sowie glatten Oberflächen gekennzeichnet (Aufnahme 1973; © ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Josef Schmid).

  • Sämtliche Öffnungen sind in die Betonmauern eingelassen, was die massive, plastische Wirkung des Gebäudes unterstützt (Aufnahme 1973; © ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Josef Schmid).

  • Die Gemeinschaftsräume werden durch die angegliederten Terrassen in den Aussenraum erweitert. Der Ausblick ist in jedem Fall grandios (Aufnahme 1973; © ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Josef Schmid).

  • Blick in den hallenartigen Aufenthaltsraum (© Werk 11/1969, S. 764).

     

  • Der grosse Essraum mit der originalen Möblierung (© Werk 11/1969, S. 764).

  • Die Schülerzellen wurden in Einer- und Zweierzimmer aufgeteilt. Alle Einzelheiten des Interieurs bis hin zu den eigens für das Wohnheim entworfenen Möbeln wurden vom Architekten aufeinander abgestimmt (© Werk 11/1969, S. 764).

  • Aus einem quasi barocken Gesamtgestaltungsbedürfnis heraus konzipierte Glaus das Konvikt als Gesamtkunstwerk. Selbst die Schülerzimmer sind mittels verschiedener Materialien durch und durch komponiert (© Werk 11/1969, S. 764).

Bauaufgabe Schülerwohnheim Adresse Arosastrasse 32, 7000 Chur Bauherrschaft Kanton Graubünden Planer Glaus & Lienhard Bauzeit 1967–1969

Otto Glaus (1914–1996) gehört zu den profiliertesten Schweizer Architekten der Nachkriegszeit. Kunsthandwerklich ausgebildet, praktizierte er ein Jahr lang im Pariser Atelier von Le Corbusier, bevor er an der ETH Zürich Architektur studierte. 1945 eröffnete er sein eigenes Büro. Seine Hoch-Zeit waren die Sechzigerjahre, in denen er mit einer Reihe skulpturaler Sichtbetonbauten hervortrat. Der Werkstoff Beton behagte ihm, da dessen konstruktive Eigenschaften ihm die freie kubische Gestaltung von Volumen und Innenräumen ermöglichten. Unter den plastisch betonten Bauten Glaus’ nimmt das Wohnheim der Bündner Kantonsschule eine herausragende Stellung ein.

Das markante Bauwerk, das wie eine Pueblosiedlung am steilen Hang südöstlich der Churer Altstadt «klebt», realisierte Glaus mit seinem damaligen Büropartner Hans-Rudolf Lienhard (1925–1974) auf der Grundlage eines Entwurfs, der 1964 siegreich aus einem zweistufigen Projektwettbewerb hervorgegangen war. An landschaftlich exponierter und städtebaulich sensibler Lage in Sichtweite des altehrwürdigen Bischofssitzes war eine nahezu autarke Wohnanlage für 100 Schüler zu errichten. Die gestalterische Hauptleistung des ausgeführten Projekts liegt in der bravourösen Einfügung des Gebäudes in das Landschaftsbild. Aus der Ferne wirkt der Komplex wie ein expressiv geformter Monolith, tatsächlich ist er in drei lange, hinter- und übereinander gestaffelte Flachdachtrakte aufgelöst. Durch Vor- und Rücksprünge passen sich die einzelnen Baukörper dem schroff abfallenden und konvex gewölbten Terrain an. Die Aufgliederung der Baumasse bricht deren Monumentalität und verhindert eine Konkurrenz zu den Baudenkmälern der näheren Umgebung. Der Sichtbeton trägt mit dazu bei, dass die Anlage wie aus dem Fels herauszuwachsen scheint; die nuancierte Behandlung der Oberflächen steigert die Wirkung des Materials. Glaus› Gestaltungsbedürfnis reichte auch im Innern bis ins Detail. Das mitsamt den selbst entworfenen Möbeln subtil differenzierte und harmonisch abgestimmte Interieur zeugte von der Konzeption des Hauses als Gesamtkunstwerk.

Text Ludmila Seifert, Chur
Literatur Leza Dosch: Nachkriegsmoderne in Chur (Architekturrundgänge in Graubünden), hrsg. vom Bündner Heimatschutz, Chur 2013, Nr. 17; Michael Hanak: Skulpturale Nachkriegsmoderne in Chur, in: Bündner Monatsblatt 1/2013, S. 65–98; Ueli Lindt: Glaus, Otto, in: Isabelle Rucki und Dorothee Huber (Hrsg.): Architektenlexikon der Schweiz. 19./20. Jahrhundert. Basel 1998, S. 223/224; Ueli Lindt: Otto Glaus, Architekt. Basel/Boston/Berlin 1995; Schweizer Architekturführer 1920–1990, Bd. 1 (Nordost- und Zentralschweiz), Zürich 1992, S. 76; Konvikt der Kantonsschule in Chur GR, in: Das Werk: Architektur und Kunst, 11/1969, S. 762–764; Wettbewerb für den Neubau der Konviktes der Bündner Kantonsschule in Chur, in: Schweizerische Bauzeitung, 1964/Heft 43, S. 754–757.