41 — Sala polivalenta, Tschlin

  • Ein langgezogenes Gebäude, das sich durch die Querstellung der Massstäblichkeit des Dorfes einfügt (© Ralph Feiner, Malans).

  • In intelligenter und subtiler Weise wurde die Hanglange genutzt: Die Mehrzweckanlage fügt sich in die Staffelung des Dorfes ein (© Ralph Feiner, Malans).

  • Der Bau fällt auf und verbindet das verträumte Dorf mit der modernen Welt: die rote Mehrzweckhalle neben dem (nicht mehr gebrauchten) Schulhaus (© Ralph Feiner, Malans).

  • Der Baukörper ist geschlossen und nur von hochliegenden Bändern belichtet. Einzig die grosse Öffnung in der Stirnwand macht die Kanzellage über dem Inntal auch im Saalinnern erlebbar (© Ralph Feiner, Malans).

Bauaufgabe Mehrzweckhalle Adresse Curtins 6, 7559 Tschlin Bauherrschaft Gemeinde Tschlin Planer Bearth & Deplazes Bauzeit 1991–1993

Wer vom Unterengadiner Talgrund die kurvige Strasse hochfährt ins 450 m höher gelegene Tschlin, bemerkt sie, sobald die Siedlung ins Blickfeld rückt: die Mehrzweckhalle am exponierten Südrand des Dorfs, das sich so anmutig ins steile Gelände schmiegt. Ein geschlossener Baukörper aus rot lasiertem Beton, konsolartig über den Sockel auskragend, um seine Grenzlage zu betonen. Der festliche Anstrich, der das Interesse auf das Gebäude lenkt, verweist auf dessen öffentlichen Charakter – und symbolisiert den Geist des Aufbruchs, dem es seine Entstehung verdankt. Der gleichermassen spektakuläre wie unaufgeregte Saalbau ist ein frühes Werk der Architekten Valentin Bearth (*1957) und Andrea Deplazes (*1960), die 1988 in Chur gemeinsam ein Büro eröffneten und rasch mit bemerkenswerten Wettbewerbsbeiträgen auf sich aufmerksam machten. Aus einem Konkurrenzverfahren resultierte auch ihr Tschliner Bau. Chirurgisch präzis in das historische Ortsbild eingefügt, zeugt er von der Suche nach einer angemessenen zeitgemässen Reaktion auf Tradition und Topografie, die das Schaffen der ambitionierten jüngeren Generation Bündner Architekten in den Neunzigerjahren kennzeichnet (Objekt 15).

Die Halle ergänzte einst das (heute ungebrauchte) Schulhaus, mit dem sie durch einen Terrassenbau verbunden ist. Dem Verlauf der Höhenkurven folgend, knickt der stattliche neue Kubus vom alten Gebäude ab; in den Hang geschoben und auf den Platz gestellt, gelingt es ihm, den vorhandenen Massstab des Dorfs nicht zu sprengen. Bei aller siedlungsbaulichen Einpassung bleibt die Eigenständigkeit gewahrt. Auf den gestrichenen Oberflächen der betonierten Fassaden zeichnen sich die Schalungsfugen ab, wodurch der massive Bau wie aus dünnen Platten konstruiert erscheint. Der Eindruck eines leichten Pavillons wird durch das fragile und auf subtile Weise leicht gewölbte Satteldach verstärkt, das sich wie ein Blatt über das Gebäude legt. Im Innern ist die Halle satt mit gewachstem Lärchenholz ausgeschlagen; eine grosse Öffnung in der Stirnwand lässt einen die Kanzellage über dem Inntal erleben.

Text Ludmila Seifert, Chur
Literatur Köbi Gantenbein, Jann Lienhart, Cordula Seger: Bauen in Graubünden. Ein Führer zur Gegenwartsarchitektur, Zürich 2006 (3., erw. Aufl.), S. 116–117; Heinz Wirz (Hrsg.): Bearth & Deplazes. Konstrukte/Constructs, Luzern 2005, S. Heinz Wirz (Hrsg.): Valentin Bearth & Andrea Deplazes, Texte von Ákos Moravánsky, Luzern 1999, S. 22–31; Martina Hauser: Schulhauserweiterung in Tschlin, in: Faces (1995), Heft 34/35: Architectures récentes dans les Grisons, S.III; Auszeichnung guter Bauten im Kanton Graubünden 1994 (Informationen 1/95, Sonderheft), hrsg. von der Bündner Vereinigung für Raumplanung und dem Bündner Heimatschutz, Chur 1995.