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Die Gebäude sind innen und aussen als Betonbauten konzipiert und bis ins Detail als solche erkennbar. Im Bild der Schultrakt hinter dem Kloster; die wesentlichen Elemente der räumlichen Disposition sind auch im Äusseren sichtbar gemacht: die Fensterbänder markieren die Schulzimmer, die geschlossenen Elemente das Treppenhaus und die Sanitärzellen (© Ralph Feiner, Malans).
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«Kunst am Bau» verstanden nicht als blosse Dekoration, sondern als «integraler Bestandteil guter und menschenfreundlicher Architektur»: Die in Beton gegossenen Zeichenformen und die subtil abgestimmten Farbakzente in den Deckenfeldern stammen von Armin Hofmann (© Ralph Feiner, Malans).
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Luftbild 1990. Das in zwei Teile gegliederte Schulhaus steht als moderner Kontrapunkt neben und hinter der barocken Klosteranlage. Der Hallentrakt schräg oberhalb des Konvents umfasst die Turnhalle, das (ehemalige) Hallenbad und Musikräume, das Gebäude hinter dem Kloster nimmt die Klassenzimmer auf (© ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Swissair Photo).
«Den Geist unserer Zeit mit dem bestehenden Barock in Einklang bringen» – das war die Devise, die den Neubau der Klosterschule Disentis Ende der Sechzigerjahre leitete. Jahrhundertelang war die von den Mönchen geführte Schule im Konventsgebäude integriert gewesen, nun galt es, ihr ein eigenes, neues Haus zu geben. Die zitierte Losung liess eine anbiedernde Anpassung an den Bestand nicht zu, forderte gleichzeitig aber Respekt vor dem Vorhandenen ein. Die Weltoffenheit der Benediktiner bescherte der Surselva neben dem gleichzeitig errichteten Dominikanerinnenkloster in Ilanz ein zweites bedeutendes Beispiel der Nachkriegsarchitektur, das in einem sakralen Kontext steht (Objekt 05). Im Vergleich zu Ilanz kam in Disentis zur exponierten Hanglage des Bauplatzes dessen unmittelbare Nähe zum barocken Stift erschwerend hinzu. In einer Zeit, in der die zeitgenössische Architektur ein wenig ehrfürchtiges Verhältnis zur Vergangenheit pflegte, bot dies den Architekten eine besondere Herausforderung.
Den Wettbewerb hatten der renommierte Basler Kirchen- und Schulhausbauer Hermann Baur (1894–1980) und dessen Sohn Hans Peter Baur (1922–2017) für sich entschieden. In zwei über Eck gestellte Hauptkörper gegliedert, tritt der von ihnen entworfene Gebäudekomplex durch seine dezente Plastizität hervor. Mit den flachen Dächern, den Bandfenstern und dem Sichtbeton erscheint er als Kontrast zur mächtigen Klosteranlage – und findet doch eine harmonische Balance. Räumlich abgesetzt bleibt er durch Galerien mit ihr verbunden. Das Schulhaus zeigt sich einerseits klassisch-modern, lässt aber auch deutlich den Einfluss Le Corbusiers (1887–1965) erkennen, bei dem Hans Peter Baur einst gearbeitet hatte. Dieser manifestiert sich in den Betonlamellen und den mächtigen Rundstützen sowie im Motiv der grosszügig gerundeten Kanten in den Erschliessungsbereichen – und in der Haptik des Betons, der durch die (zeittypische) Verwendung von ungeschliffenen Schalungsbrettern die Maserung des Holzes annimmt und so einen betont herben Aspekt erhält.
Text Ludmila Seifert, Chur
Literatur Bruno Maurer: Bestandesbeschrieb Hans Peter Baur, in: Website des gta Archivs / ETH Zürich, Januar 2019, https://archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/hans-peter-baur-19222017; Daniel Schönbächler: Die Benediktinerabtei Disentis (Schweizerische Kunstführer GSK), Bern 1992, S. 11 und 37; Bernhard Bürke (Hrsg.): Neubau Klosterschule Disentis. Perspektiven einer Baugeschichte, [Disentis, 1973].