33 — Atelierhaus Obrist, St. Moritz

  • Als Bau «ohne Schminke» bietet das Atelierhaus im mondänen Kurort ein ungewohntes Bild (© Ralph Feiner, Malans).

  • Das Atelierhaus besticht durch seine reduzierte Formensprache und die ausgewogenen Proportionen (in: Schweizer Architekturführer 1920–1990, S. 89).

  • Die Betonsästhetik bestimmt auch das Innere des Baus; Blick ins Treppenhaus (in: Hannes Ineichen. Robert Obrist, S. 28).

  • Maisonette mit Wendeltreppe (in: Hannes Ineichen. Robert Obrist, S. 33).

Bauaufgabe Wohnungsbau, Atelier Adresse Via Aruons 10, 7500 St. Moritz Bauherrschaft Robert und Heidi Obrist Planer Robert Obrist & Partner Bauzeit 1970–1972

Robert Obrist (1937–2018) war zeit seines beruflichen Lebens eine wichtige Figur im Bündner Architekturbetrieb. Als Architekt vieler öffentlicher Gebäude, als Raumplaner und als politisch engagierter Bürger, der sich effektiv für baukulturelle Belange einzusetzen wusste. 1963 war der gebürtige Aargauer nach St. Moritz übersiedelt, wo er ein etabliertes Architekturbüro hatte übernehmen können. Mit dem 1968 eröffneten Hallenbad, das er gemeinsam mit Alfred Theus errichtete, konfrontierte er den mondänen Kurort mit einer ungeschminkten Nachkriegsmoderne corbusianischen Gepräges (abgebrochen 2010). Dieselbe Baugesinnung bestimmt auch das Wohn- und Atelierhaus, das sich der noch nicht 35-jährige Obrist am Osthang zwischen den Ortsteilen Dorf und Bad erbaute: ein provokant selbstbewusster Bau mit Flachdach und Sichtbeton, der in starkem Kontrast zu der in Tourismusorten üblichen Klischee-Bauweise steht. Die grosszügige Architektur zeigt eine Nähe zu Bauten von Otto Glaus (Objekt 29), in dessen Büro Obrist gearbeitet hatte und mit dem zusammen er 1970/71 das Hallenbad im Hotel Waldhaus in Sils Maria entwarf.

Vor den Hang gestellt erhebt sich der wohl proportionierte, scharfkantige Kubus mit seiner puristischen Betonästhetik fünfgeschossig über einem rechtwinkligen Grundriss. Die Hanglage wird durch die Rückstaffelung der Etagen thematisiert. Die Abstufung belebt und bricht das Blockhafte des mächtigen Gebäudes, das neben dem zweistöckigen Atelier mit zugeordneter Maisonette acht Mietwohnungen unterschiedlicher Grösse umfasst. Der auf dem Gedanken einer Wohn- und Arbeitsgemeinschaft von Architekten basierende Bau ist mit seiner flexiblen inneren Struktur auch typologisch interessant: ein Haus der Durchlässigkeit und des Ineinandergreifens von Wohnen und Arbeiten, das sich wechselnden Bedürfnissen anzupassen vermag, mit mehreren Eingängen, unterschiedlichen Vertikalerschliessungen und horizontalen Verbindungen über Flure und Terrassen. Ein Haus, das die soziale Umbruchstimmung der Zeit reflektiert.

Text Ludmila Seifert, Chur
Literatur Hannes Ineichen (Hrsg.): Robert Obrist. Bauten, Projekte und Planungen 1962–2002 (Monografien Schweizer Architekten und Architektinnen, Schriftenreihe Bd. 6), Blauen 2002, S. 28–33; Schweizer Architekturführer 1920–1990, Bd. 1 (Nordost- und Zentralschweiz), Zürich 1992, Nr. 326, S. 89.