44 — Ferienhaus Schmid, Splügen

  • Zum Bach hin wird die Holzständerkonstruktion durch sechs stelzenartige Holzpfosten getragen und im unteren Teil mit einer Veranda tief eingeschnitten (© Ralph Feiner, Malans).

  • Die vertikale Lärchenholzschalung gemahnt an die Verkleidungen von Stallscheunen im Tal; sie betont den hüttenartigen Charakter des Ferienhauses, der seinerseits auf die temporäre Nutzung verweist (© Ralph Feiner, Malans).

  • Ein mächtiger, aus Gneisplatten gefügter Ofen zwischen Ess- und Wohnbereich bildet den warmen Kern des Hauses. Der Essraum ist zum Dach sowie zur drei Stufen höher gelegenen Stube hin offen. Die Galerie des Obergeschosses dringt dramatisch in den Luftraum über dem Essbereich ein (© Ralph Feiner, Malans).

  • Aufnahme um 1963. Gemauert und verputzt sind der Sockel und die wetterexponierte Ecke des Hauses sowie der Treppenturm, der in plastischer Ausformung aus der Fassadenflucht hervortritt (© Fritz Maurer, in: Maurer/Oechslin: Ernst Gisel, 2010, S. 155).

  • Aufnahme um 1963. Hinter der Südwestfassade befinden sich im Erdgeschoss die Stube (mit Veranda) und im Obergeschoss die beiden Schlafzimmer, die über separate Zugänge zur Loggia verfügen (© Fritz Maurer, in: Maurer/Oechslin: Ernst Gisel, 2010, S. 155).

  • Aufnahme um 1963. Das steile Pultdach gibt dem Gebäude eine prägnante Form; im Dorf ist das Haus als «Seilbahnstation» bekannt (© Fritz Maurer, in: Maurer/Oechslin: Ernst Gisel, 2010, S. 155).

Bauaufgabe Wohnbau Adresse Splügenpassstrasse 8, 7435 Splügen Bauherrschaft Privat Planer Ernst Gisel Bauzeit 1962/63

Das Ferienhaus ist eine prototypische Bauaufgabe des 20. Jahrhunderts – und machte in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg einen gewichtigen Teil der Bautätigkeit in Graubünden aus. Die Popularisierung des Ferienhauses gründet – als genuin massentouristisches Phänomen – auf der wachsenden wirtschaftlichen Prosperität, der vermehrten Freizeit sowie der individualisierten Mobilität. Breite Bevölkerungskreise konnten sich nun leisten, was früher einer kleinen Schicht von Reichen vorbehalten war. Diese Demokratisierung hat auf die Qualität gedrückt. In der Masse der Zweitdomizile sind Bauten mit gestalterischem Anspruch eine Rarität.

Eine Trouvaille ist das Ferienhaus Schmid in Splügen. Es steht isoliert auf einem kleinen Grundstück zwischen dem Hüscherabach und der Splügenpassstrasse, direkt gegenüber dem auf der anderen Talseite gelegenen Dorf, das mit dem Bau der Nationalstrasse A 13 in den Sog des Tourismus geriet. Der von Ernst Gisel (* 1922; Objekt 14), einem der vielseitigsten und bedeutendsten Architekten der Nachkriegszeit entworfene Bau vereint den Vorzug einer bequemen Erschliessung mit dem Privileg einer idyllischen Lage in der Natur. Unmittelbar an die Strasse grenzend wendet er sich gleichzeitig von dieser ab dem nahen Gewässer zu, dessen Rauschen den Lärm des Verkehrs zu übertönen vermag. Mit der Kombination von gemauerten und hölzernen Teilen bleibt er eng an der bäuerlichen Bautradition der Region. Unkonventionell allerdings sind der trapezförmige Grundriss und das fassadenbündige Pultdach, die Fensterformate und der bauchig vortretende Treppenturm, der dem bescheiden auftretenden Gebäude eine plastische Note verleiht. Statt als traditioneller Blockbau ist der hölzerne Teil als moderner Ständerbau konstruiert; eine Stülpschalung aus rohem Lärchenholz stellt einen Bezug zu den örtlichen Zweckbauten her. Neuartig ist auch der strukturelle Aufbau des Hauses mit split-level-artig zueinander versetzten Wohnebenen, der abwechslungsreiche räumliche Bezüge schafft. Bachseitig wird über eine Veranda und eine Loggia die Symbiose mit der Landschaft gesucht.

Text Ludmila Seifert, Chur
Literatur Bruno Maurer und Werner Oechslin (Hrsg.): Ernst Gisel Architekt, Zürich 2010, S. 154/155.